Grenzverkehr 1923


Stadt Offenburg, den 18.Juni 2023 

Befehl

Der General-Kommandant des Brückenkopfes von Kehl verbietet sämtlichen Personen, sich von Offenburg nach Gengenbach und umgekehrt zu begeben, ohne an dem sich auf der Landstrasse, dem Ortenberger Bahnhof gegenüber befindlichen Posten zu passieren.

Infolgedessen werden für den Verkehr verboten und zwar auf eine Länge von 500 Metern diesseits der südlichen Grenzen der Gemeinden Ortenberg und Elgersweier: 

Der Pfad, welcher sich am Fuße um das Ortenberg Schloss nach Westen zieht. 

Der Feldweg, zwischen der Kinzig und des Eisenbahngeleises. 

Die Dämme der beiden Ufern der Kinzig. 

Die Straße von Elgersweier nach Berghaupten. 

Jede Person, (ausgenommen Landwirte, welche sich an ihre Arbeit in den in dieser Zone befindlichen Aecker begeben) welche sich der Kontrolle des sich auf der Landstraße von Ortenberg befindlichen Postens zu entziehen sucht, setzt sich Verfolgen aus, wenn selbst ihre Papiere in Ordnung sind. 

Der Oberkommandant Ro z i e r 

Kommandant des Gebietes Offenburg


Aus den Erinnerungen von Dr. Franz Xaver Vollmer. 

(Wie man unbehelligt die „Grenze“ passieren kann.)

"Wie viele „Eisenbähnler“ musste der Zugschaffner Franz Xaver Vollmer – mein Vater - ins unbesetzte Gebiet ausweichen und tat dort fern der Familie Dienst an der jetzt als Umgehungstrecke voll benützen strategischen Eisenbahnlinie Waldshut-Blumberg –Immendingen*. 

Um das zum Lebensunterhalt notwendige Unterstützungsgeld, das in Haslach ausbezahlt wurde zu erlangen, kleidete sich meine Ortenberger Mutter zur Feldarbeit, setzte mich kleinen Knirps neben die Feldhacke in die Schees und fuhr an der französischen Kontrolle am Bahnhof unbehelligt vorbei auf unseren Acker ins Gewann „Mühlgut“, hackte dort aber keineswegs „Rübli“, wie sie auf Befragen angegeben hatte, sondern schob mich in der Schees weiter bis Ohlsbach, wo rasch ein Kleiderwechsel ins „Sonntägliche“ vorgenommen wurde, um dann mit dem Zug zur Auszahlung nach Haslach zu fahren. 

Mit dem in einem alten Sack versteckten Geld ging es im umgekehrten Verfahren, wieder nach Ortenberg zurück wo abends die Bauersfrau mit dem todmüden Kind unbeachtet den Schlagbaum passierte."

Diese Episode beschreibt der Autor Dr. F.X. Vollmer auf der Seite 180 in der Ortschronik. Wahrscheinlich hat man ihm die Geschichte oft erzählt, denn er selbst wurde am 23.06.1922 geboren, war also zum fraglichen Zeitraum höchstens ein Jahr alt. Bei seiner Mutter handelt es sich um Elisabeth Kaiser, verheiratete Vollmer, aus dem Burgweg 3.

*Die sogenannte "Sauschwänzlebahn"