Bartholomäus Herp, Polizeidiener

(1872-1942, ledig, wohnhaft damals Freudental Haus Nr.104, heute Haus Nr.21) 

Bartholomäus Herp hat sich dadurch verewigt, dass er 

(Im Ortenberger Familienbuch, Seite 1857, hat Dr. F. X. Vollmer Bartholomäus Herp ein Denkmal gesetzt.)Bild Herp
Die folgende Kurzfassung der Geschehnisse, die sich 1923 ereigneten, stammt aus den Akten des Bezirksamts Gengenbach. 

Der beschriebene Vorfall begann noch vor dem 20.April, als Offenburg bereits besetzt war, Ortenberg aber noch nicht. 

8. April 1923, Sonntagabend: 

  • Zwei Schwestern aus Offenburg haben sich in der Bahnhofswirtschaft in Ortenberg mit Franzosen eingelassen. Dieser Verstoß gegen das Fraternisierungsverbot veranlasst andere Gäste, sich an einen anwesenden Polizeikommissar zu wenden. Dieser informiert Bürgermeister Danner, der die Verhaftung der beiden Schwestern anordnet, sie sollen im Ortsarrest die Nacht verbringen, am anderen Morgen würde die Passkontrolle des Bezirksamts kommen. Bartholomäus Herp folgt dieser Anweisung und bringt die Mädchen in den Ortsarrest im heutigen alten Rathaus. 
  • Ortsdiener Herp begibt sich in die Krone und lässt sich schließlich, nach zahlreichen „Viertele“, durch einen zufällig anwesenden Verwandten der Mädchen und etlichen jungen Burschen, die sich vor dem Rathaus versammelt haben, erweichen, die Mädchen wieder freizulassen. Diese bringen sich schnellstens über die Kinzigbrücke in Sicherheit.
  • Am folgenden Morgen erscheinen zwei Gendarmen des Bezirksamts Gengenbach, um die beiden Mädchen abzuholen. Bürgermeister Danner findet die Arrestzelle leer vor. Herp, den man angeblich aus dem Bett holen musste, sagt, er wisse auch nicht, weshalb sie nicht mehr da wären. Die verärgerten Gendarmen kündigen an wiederzukommen und Ortsdiener und Bürgermeister nach Gengenbach mitzunehmen.

Es lässt sich nicht vermeiden: Bürgermeister Danner erstattet bereits am Folgetag, am Montag, dem 9. April, Anzeige beim Bezirksamt. Herp, dort vorgeladen, und mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert, weigert sich, seinen Dienst niederzulegen. 

23. April: Der Gemeinderat beschließt, gegen den Ortsdiener Herp nicht selbst einzuschreiten und beantragt beim Bezirksamt die weiteren Schritte einzuleiten, aber Bürgermeister Danner wird zur Sache vernommen:
,,Der Polizeidiener Herp ist eine dem Trunke ergebene, unzuverlässige Person, wie schon oft dargelegt worden ist. Morgens geht es noch mit ihm . . .“ (Hier ist die gesamte Aussage)

Bartholomäus Herp selbst gibt an: „Vor dem Rathaus hatte sich eine Menschenmenge angesammelt. Diese sagte, ich solle doch die Weiber wieder freilassen und die Eingesperrten selbst hielten bei mir an und sagten, sie seien Schwestern . . . und wohnten in Offenburg, müssten am Montagvormittag arbeiten und ich solle sie doch freilassen. Die Mädchen haben geweint und mich angefleht. Da hat mich das Mitleid erfasst. Auf ihr Drängen und Bitten hin habe ich sie dann um ½ 12 Uhr wieder freigelassen. Ich war abends in einigen Wirtschaften und habe 4 oder 5 Viertel ltr. Wein getrunken.“ (Hier ist die gesamte Aussage)

Jetzt wird es ernst für den „Herpe Barthle“! Frühere dienstliche Unregelmäßigkeiten sowie sein Trinken kommen auf den Tisch. Abmahnungen hatte es wohl schon früher gegeben. 

Sein „Vergehen“ wird in der behördlichen Darstellung immer dramatischer dargestellt: Die Mädchen werden in den Berichten als Franzosendirnen und liederliche Frauenzimmer bezeichnet und Herp wird der Gefangenenbefreiung beschuldigt. 

Das Bezirksamt verfügt seine Entlassung, Herp verliert also Arbeitsplatz und Einkommen. Doch damit nicht genug: Die Akten werden an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet: Wegen Gefangenenbefreiung verurteilt ihn die Staatsanwaltschaft zu 6 Monaten Haft. 

Verurteilung Herp

Herp sitzt in der Freiburger Strafanstalt ein. 

Inzwischen ist Ortenberg besetzt und die französische Behörde für den Fall zuständig. Die französische Militärbehörde hat nichts dagegen, wenn deutsche junge Mädchen sich mit französischen Soldaten abgeben, im Gegenteil: Sie geht nicht zimperlich mit betroffenen deutschen Patrioten um, die in solchen Fällen Selbstjustiz üben, wie der Zeitungsbericht zeigt. 

Verurteilung Deutscher

Das spricht sich auch bis Ortenberg herum. Herp wendet sich über seine Schwester an die französische Behörde.

Das Bezirksamt in Gengenbach fürchtet nun Repressalien durch die französische Militärbehörde, wie der folgende Brief vom 5. Juni 1923 an die Staatsanwaltschaft in Freiburg zeigt:
„Nachdem er dienstentlassen war, hat Herp Drohungen dahingehend ausgesprochen, er werde es denjenigen Herren, die gegen ihn vorgegangen sind, es bei den Franzosen besorgen. Daraufhin ist am 4. Juni der Bürgermeister von Ortenberg verhaftet worden und eingehend über das Vorgehen gegen die beiden Mädchen verhört worden. Der Bürgermeister ist zwar auf freien Fuß gesetzt, es ist aber damit zu rechnen, dass Herp nach Ortenberg zurückkehren könnte und dort weitere Denunziationen vornehmen würde. Bei der ersten Denunziation hat sich Herp seiner Schwester, der Frau Rosine Kiefer, bedient. Den Franzosen ist bei dem Verfahren gegenüber Bürgermeister Danner bekannt geworden, dass mein Verwaltungssekretär Arthur Heid in der Sache gegen Herp besonders aktiv gewesen sein soll. Heid war deshalb besonderen Schikanen der Franzosen ausgesetzt und hatte mit seiner Verhaftung zu rechnen. Er hat . . . . den Bezirk verlassen und ist nach Bonndorf versetzt. Sein Hausrat ist aber in Offenburg zurückgeblieben. Ein Wiedererscheinen des Herp in Ortenberg würde wohl auch Schritte gegen Heid, Beschlagnahmung seines Hausrats, usw. auslösen.“

In einem weiteren Brief des Beziriksamts wird gar Schutzhaft für Herp nach der Haftentlassung verlangt: 
„Es ist dringend geboten, dass aufgrund der Verordnung des Reichspräsidenten zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit von 17. April 1923 Schutzhaft gegen den Herp herbeigeführt wird zur Verhinderung des Wiedereintritts in das Einbruchsgebiet, da von ihm eine Unterstützung der Franzos. zu gewärtigen ist.“


Quellen: Akten des Staatsarchivs Freiburg, Kinzigtäler Bote, Akten des Bezirksamts Gengenbach